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handverlesen versteht sich als eine mehrsprachige emanzipatorische Literaturinitiative, die Texten mehr Bewegungsfreiheit verschaffen will — in Laut- und Gebärdensprache. Wir fordern ein neues Verständnis von Literatur, das nicht nur schriftliche, sondern auch visuelle, gebärdete Texte einschließt. Die hörende Literaturwelt braucht endlich gebärdensprachliche Poesie und Prosa, sowie eine stärkere Präsenz Tauber Künstler*innen auf Bühnen und in Büchern.
Deshalb veranstaltet handverlesen Werkstätten und Veranstaltungen mit Tauben und hörenden Autor*innen, Performer*innen und Übersetzer*innen. Wir wollen neue Literatur in Gebärden- und Lautsprache entwickeln und übersetzen. Wir publizieren mehrsprachige Magazine, Filme und Bücher zum Thema und bauen zukünftig eine Online-Bibliothek für Gebärdensprachliteratur auf.
Gebärdensprachliche Literatur stellt die traditionelle Definition von Literatur als Text in Frage und findet eine lyrische und erzählende Sprache jenseits von Schrift und Wort. Sie verunsichert die laut- und schriftsprachlichen Konventionen der Literaturwissenschaft und des Literaturbetriebs. Auch das traditionelle Buchformat kommt an seine Grenzen.
Gebärdensprache nutzt in der Regel kein Notations- oder Schriftsystem. Literatur in Gebärdensprache lässt sich nicht abdrucken: Sie artikuliert sich als körperlich und räumliche gebundene Performance. Als derart bewegter Text kann sie nur per Film festgehalten werden. Also braucht es neue Medien, Veranstaltungsformate und Lesegewohnheiten, die gedruckte und digitale Formen verknüpfen.
Beim Übersetzen kommt ein Text in Bewegung, von einer Sprache in die andere, von einem kulturellen Kontext in einen anderen. Wer zwischen lautsprachlicher und gebärdensprachlicher Poesie übersetzt, übersetzt zwischen einer schriftlichen und einer visuellen Sprache. Und auch zwischen Hörenden- und Taubenkultur, und das geschieht nicht immer auf Augenhöhe, sondern häufig vor einem Hintergrund von lautsprachlicher Dominanz.
Es gehört deshalb für uns zu einer kritischen Übersetzungsarbeit, Vorurteile abzubauen und die Selbst- und Mitbestimmung Tauber Akteur*innen in der Zusammenarbeit zu fördern.